Rückenschule Hannover

Die neue Rückenschule

Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 15.07.2003

Uwe Schwier
Die langen Rückenmuskeln müssten vom ersten Halswirbel bis zu den unteren Lenden­wirbeln trainiert werden, damit sie den Körper mühelos tragen können, erklärt der hannoversche Sportpädagoge Uwe Schwier.

Wenn deutsche Arbeitnehmer krankgeschrieben werden, sind meistens Rückenschmerzen daran Schuld. Bundesweit nahmen die Arbeitsunfähigkeitstage wegen dieser Beschwerden laut dem aktuellen Gesundheitsreport der DAK von 1998 bis 2002 um 17 Prozent zu. Jeder vierte Bundes­bürger hat sogar täglich Rückenschmerzen. Am häufigsten trifft es Bauarbeiter, Kranken­schwestern und Altenpfleger.

Damit die Rückenschmerzen nicht chronisch werden, raten Experten wie der hannoversche Sport­pädagoge Uwe Schwier zur Vorbeugung. Allerdings böten die traditionellen Trainingsprogramme der „Rückenschulen“ keinen ausreichenden Schutz vor dem gefürchteten „Hexenschuss“ oder anderen Problemen, sagt Schwier. „Wir haben im Alltag ohnehin zu viele statische Belastungen - beispielsweise beim Sitzen. Da ist es nicht sinnvoll, bei der Rückenschule auch noch statisch zu trainieren.“

Statt Übungen, bei denen eine bestimmte Belastung für kurze Zeit gehalten wird, empfiehlt der Sportpädagoge ein dynamisches Krafttraining über den gesamten Bewegungs­umfang. „Wenn ich meine Beweglichkeit verbessern will, muss ich dem ganzen Muskel Kraft antrainieren.“ Das bedeutet etwa, dass der Arm beim Hanteltraining so weit es geht geöffnet und geschlossen werden sollte, statt nur einen bestimmten Winkel zu wählen. Auch die Rückenmuskeln sollten über die gesamte Länge gestärkt werden. Dann könnten sie den Körper auch bei ungewohnten Bewegungen stabil halten. „Zudem werden bei dieser Art des Trainings die Sehnen und Bänder gestärkt, die Muskeln gedehnt und der Knorpel optimal versorgt“, sagt Schwier.

Bauchmuskeln
Bauchmuskeln
Auf den Boden setzen und das Becken von hinten mit einem Polster abstützen. Das Kreuzbein sollte die Polsterkante berühren. Dann die Wirbelsäule langsam Wirbel für Wirbel zurückrollen bis zur horizontalen Lage. Den Kopf dabei nicht ablegen, sondern das Kinn angezogen lassen. Anschließend wieder gleichmäßig bis in die sitzende Position aufrichten. Werden die Arme dabei hinter den Kopf genommen, erhöht sich der Widerstand. Als Variation kann man auch über die Seite abrollen. 15 bis 20 Wiederholungen pro Durchgang.

Beim Abrollen des Rückens Wirbel für Wirbel beispielsweise (siehe Übung für die Bauchmuskeln) werde Bandscheibe für Bandscheibe kurzzeitig zusammengedrückt und anschließend wieder entlastet, erklärt der Sportpädagoge. Dabei könnten ausreichend Nährstoffe in die elastischen Band­scheiben gelangen. Auch die knorpeligen Anteile der Zwischenwirbelgelenke würden durch die Bewegung besser versorgt. „Wichtig ist, dass wir mit den Übungen möglichst alle Gelenke erfassen. Bei der traditionellen Rückenschule bleiben oft Teile der Wirbelsäule, wie etwa die Hals­wirbelsäule, unberücksichtigt.“ Auch Patienten, die bereits einen Bandscheibenvorfall oder eine Operation hinter sich haben, können dynamisch trainieren. Bei ihnen entscheidet Schwier vor Beginn, wo gebeugt werden darf und wo nicht. So werden die betroffenen Bandscheiben nicht belastet, wohl aber ihre „Nachbarn“.

Die Grundlagen für das moderne Rückentraining wie es Schwier praktiziert, stammen von dem Heidelberger Biomechaniker Axel Gottlob. In seinem Buch „Entwicklung differenzierter Krafttrainingsrichtlinien“ hat der Wissenschaftler vor zwei Jahren anhand von Studien untersucht, wie im Leistungssport trainiert wird. Sein Ergebnis: Der beste Trainingserfolg wird erreicht, wenn Muskeln mit gezielten Kraftreizen über den gesamten Bewegungsumfang trainiert werden. Dann gibt es keine Schwachstellen. „Wenn die Leute immer nur üben, sich gerade zu bücken, können sie eine schräge Bewegung gar nicht abfangen und holen sich schnell einen Hexenschuss“, sagt Schwier. Er bedauert, dass im Handel derzeit noch kein Trainingsbuch erhältlich ist, das auf den neuen Erkenntnissen beruht.

Einen Grundstock an Übungen stellen wir anhand der nachstehenden Bilder vor. Schwier empfiehlt als Optimum wöchentlich zweimal eine Stunde Training. Nach jeweils 15 bis 20 Wiederholungen einer Übung sollte eine Minute Pause eingeschoben werden.

Neue Erkenntnisse aus der Biomechanik besagen, dass ein Rückentraining dann am effektivsten ist, wenn die Muskulatur dynamisch auf Kraft trainiert wird. Der hannoversche Sportpädagoge Uwe Schwier hat auf dieser Grundlage ein modernes Gymnastikprogramm ausgearbeitet.

Rückenstrecker
Rückenstrecker
Hüftbreit stehen mit gebeugten Knien. Die Knie sollten sich dabei über den Füßen befinden. Ein Hohlkreuz machen und die Brust herausdrücken. Dabei beide Hände ans Becken legen, dieses nach vorne abkippen und dort lassen. Wichtig ist, dass der Rücken gerade gestreckt ist. Dann mit dem Kopf nach vorne unten tauchen und sich anschließend wieder in die totale Streckung aufrichten. Die Übung kann durch eine veränderte Armhaltung oder einen anderen Beckenwinkel variiert werden. 15 bis 20 Wiederholungen pro Durchgang.

Halsmuskeln
Halsmuskeln
Rücklings hinlegen und den Schultergürtel mit Polstern hochlagern, so dass Kopf und Hals in einem gewissen Rahmen beweglich bleiben. Trainierte können sich auch auf eine niedrige Bank legen. Diese sollte mit der Schulter abschließen, so dass der Hals frei bewegt werden kann. Anschließend aus der Rückenlage heraus den Kopf mit angezogenem Kinn hochziehen und so weit wie möglich zurücknehmen. Dadurch wird die vordere Halsmuskulatur gestärkt. 15 bis 20 Wiederholungen pro Durchgang.

Hüftbeuger
Hüftbeuger
Im Liegestütz auf die Ellbogen legen. Dabei die Ellbogen auf einem Polster abstützen, damit es nicht schmerzt. Eine Teppichfliese oder ein anderes rutschiges Stück Stoff unter die Füße legen. Dann die Beine mit der Hüftmuskulatur anziehen ohne mit den Füßen den Boden zu verlassen. Voraussetzung für diese Übung ist ein glatter Boden, auf dem der Stoff gut rutscht. Als Variation für Geübte kann die Übung auch mit nur einem Bein am Boden ausgeführt werden. 15 bis 20 Wiederholungen pro Durchgang.

Schultermuskeln
Schultermuskeln
Zwei Therabänder in Bodenhöhe befestigen. Zunächst mit den Rücken zu den Bändern stehen, mit jeder Hand eines umfassen und die Bänder dann mit den Armen nach oben lang ziehen. 15 bis 20 Wiederholungen. Anschließend die Position wechseln und mit dem Gesicht zu den Bändern stehen, sie wiederum umfassen und mit den Armen nach oben lang ziehen. Ebenfalls 15 bis 20 Wiederholungen. die Übung immer von beiden Seiten machen, da sich der Widerstand der Bänder sonst so verändert, dass nur ein Teil der Muskeln trainiert wird.

Autorin: Nicola Zellmer • Fotos: Surrey (6)

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